Rezension – „Scythe – Die Hüter des Todes“ von Neal Shusterman

Auf dieses Buch war ich sehr gespannt, habe überlegt, ob ich es sofort zur Erscheinung kaufen soll oder nicht. Zum Glück habe ich es gekauft, denn ich wurde nicht enttäuscht!

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Allgemeines zum Buch:

  • Titel: „Scythe – Die Hüter des Todes“
  • Autor: Neal Shusterman
  • Anzahl der Seiten: 528 Seiten
  • Verlag: FISCHER Sauerländer
  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 21.09.2017
  • Aktuelle Ausgabe : 21.09.2017
  • Genre: Utopie, Urban-Fantasy, Jugendbuch

Inhalt:

Die Welt hat sich zu einer „perfekten“ Welt weiterentwickelt. Es gibt keine Krankheiten, keinen Tod, keine Kriege, keine Kriminalität. Für die Aufrechterhaltung dieses friedlebenden und unsterblichen Zustands ist der Thunderhead zuständig. Dabei handelt es sich um eine Art elektronisches, allwissendes und übermächtiges Gehirn. Es entwickelte sich aus der uns bekannten Cloud. Doch es gibt etwas, was unabhängig vom Thunderhead agieren darf, oder vielmehr es gibt jemanden. Die Scythe, die Hüter des Todes. Sie sind Menschen, die das natürliche Gleichgewicht unterstützen sollen. Dazu müssen sie töten. Wie eine Art Orden, folgen sie dabei Geboten und Regeln. Zum Scythe wird nicht ernannt, wer es sein möchte, sondern diejenigen, die diese Tätigkeit am meisten verabscheuen. So soll vor Missbrauch dieser Berufung geschützt werden. Das Töten wird von den Scythe als „nachlesen“ bezeichnet. Sie tragen Roben und verzichten auf viele Annehmlichkeiten, um dem Tod und den Toten gegenüber Respekt zu zollen. Jeder Scythe trägt zudem einen Ring.
Trotz der Einführung des Scythe-Ordens ist die Wahrscheinlichkeit, zu sterben, verschwindend gering. Somit leben die Menschen ein unsterbliches Leben. Die Menschen durchleben ihren normalen Lebenszyklus, können sich aber auch auf ein bestimmtes Alter zurücksetzen lassen, was „über den Berg kommen“ genannt wird.
Den Scythe gegenüber verhalten sie sich mal ehrfürchtig, mal ängstlich, mal heuchlerisch, sind es doch die einzigen, die ihnen gefährlich werden könnten.

„Wir können Dinge viel effektiver aufschieben, als die dem Tode Geweihten, weil der Tod für uns eine Ausnahme ist und nicht die Regel.“

Neal Shusterman (2017), Scythe – Die Hüter des Todes, Seite 443

Bei einer Nachlese erhalten die Hinterbliebenen Immunität, was bedeutet, dass sie ein Jahr lang nicht nachgelesen werden können. Diese Immunität wird durch das Küssen des Scythe-Rings gewährt. Weigert man sich gegen die Ausführung einer Nachlese, wird auch die gesamte Familie des Todgeweihten getötet.
Selbstmord ist ebenfalls nicht möglich, denn die Körper sind durch sogenannte Naniten selbstheilend und nach einem Selbstmordversuch werden die Menschen in Revival-Zentren wieder aufgepäppelt. Für Scythe ist der einzige Weg zu sterben allerdings der Selbstmord – die Selbstnachlese.

Soviel zur allgemeinen Schilderung der Gesetzmäßigkeiten dieser Welt. Natürlich ist das nur ein grober Anriss, denn das gesamte Bild um die Gebote der Scythe ergibt sich natürlich durch das Buch selbst. In dieser Welt stehen nun unsere Protagonisten Citra und Rowan im Mittelpunkt. Ihr alltägliches Leben wird dargestellt und dann folgt der wirkliche Anfang der Geschichte. Beide werden zu Scythe-Lehrlingen berufen. Sie müssen ihr vorheriges Leben hinter sich lassen und sich mit dem Tod mehr als jemals zuvor beschäftigen. Ich mochte es, wie sich der Autor auf die Gefühlswelten der Beiden konzentriert hat. Durch die Beschäftigung mit dem Tod und dem Töten wird ihnen das alte unsterbliche und sorglose Leben allmählich fremd. Das hat Shusterman wirklich super ausgearbeitet. Welcher Konflikt sich für die beiden ergibt, werde ich euch aber nicht verraten! 😉

Schreibstil:

Die Geschichte wird sowohl aus Citras als auch aus Rowans Perspektive erzählt. Es fließen allerdings immer mal wieder auch die Perspektiven von anderen Personen ein. Das dient meistens dazu, dass der Leser Gespräche oder Ereignisse mitbekommt, die den Protagonisten verborgen bleiben, die aber trotzdem für das Gesamtbild der Story sehr wichtig sind. Shusterman schafft es, dass der Perspektivwechsel kaum merkbar geschieht und der Leser nicht aus dem Lesefluss gerissen wird. Nein, ich tauchte sogar durch diese Perspektivwechsel immer weiter in die Geschichte ein und konnte mich ihr schließlich gar nicht mehr entziehen. Die Wirksamkeit dieser Erzählweise funktioniert dabei deswegen so grandios, weil Shustermann es versteht, das Instrument des Perspektivwechsels einzusetzen. Ganz anders als sonst, störten mich die vielen Ansichten nicht, sondern waren sogar vielmehr unbedingt notwendig.

Weiterhin findet sich nach jedem Kapitel ein kurzer Auszug aus verschiedenen Tagebüchern von unterschiedlichen Scythe. Die hier teils philosophischen Gedankengänge tragen maßgeblich zur Stimmung des Buches bei und regen den Leser auch zur Reflektion des Gelesenen an. Die Tagebucheinträge lassen unter anderem einen Einblick in das Seelenleben bekannter Scythe zu, sodass sich Beweggründe oder Charakterzüge sehr gut herausstellen.

„Unsterblichkeit kann die Torheit und Schwäche der Jugend nicht mindern. Die Unschuld ist dazu verdammt, einen sinnlosen Tod durch unsere eigenen Hände zu sterben, sie fällt den Fehlern zum Opfer, die wir niemals ungeschehen machen können. […]“

Neal Shusterman (2017), Scythe – Die Hüter des Todes, Seite 438

Besonders gut gefällt mir, dass sich durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Mittel die Frage aufwirft, ob ein unsterbliches oder ein sterbliches Leben lebenswerter ist.

Das Buch hat allgemein eine gewisse Grundspannung. In regelmäßigen Abständen werden interessante Infos gestreut und geschehen auch wirklich unvorhergesehene Dinge, die ich so nicht erwartet hätte.
Durch die prägnante, bildhafte und teilweise auch hochwertige Sprache ist der Schreibstil lebendig und hat mich auf jeder Seite gut unterhalten. Dank Shusterman weiß ich nun, was eine „Rotunde“ ist. 😉

Fazit:

Der Klappentext ließ mich vermuten, dass sich zwischen den Buchdeckeln eine 0815-Geschichte ala „die beiden Protagonisten lieben sich und begehren auf“ befindet. Ganz typisch, wie in vielen Dystopien/Utopien in den letzten Jahren. Erstaunlicherweise überraschte mich das Buch mit so viel mehr, als ich erwartet hatte. Da ist nicht nur das Dilemma der Berufung eines Scythe oder das Fremdwerden des alten Lebens durch den Tod (was im wahren Leben wirklich ein Thema ist), sondern auch politische Ränkespiele und eben so gar keine A-typische Liebesgeschichte im Sinne von „ich opfere mich für dich“. Die Liebe wird hier eher am Rand behandelt. Vielmehr steht im Mittelpunkt der Umgang mit dem Tod in einer Welt der Unsterblichkeit, die Aufklärung eines verschleiherten Mordes und die Konzentration auf die Gefühle der Protagonisten.

Das Buch ist einfach vollkommen durchdacht und spannend, aber auch grausam. Wer möchte, kann darin auch philosophisches über das Thema Tod finden. Diese eingeschobene Philosophie  ist schon fast ein Plädoyer für ein Leben in Endlichkeit und für den Tod selbst, welcher leider in unserem Leben oft noch ein Tabu-Thema ist. Besonders gut gefällt mir die Art, dieses Thema durch einen Roman zu thematisieren und dafür nicht nur zu sensibiliseren, sondern auch die eigenen Gedanken dorthin zu leiten, dass man ein endliches Leben schätzt, sich mehr auf das Leben konzentriert und dieses auch mehr genießt. Denn das ist die Botschaft. Durch die Thematisierung des Todes wird die Wertigkeit unseres Lebens betont. Grandios.

„[…] Es erinnert mich daran, dass einige Naturgewalten niemals ganz gebändigt werden können. Sie sind ewig, und das ist viel besser, als unsterblich zu sein.“

Neal Shusterman (2017), Scythe – Die Hüter des Todes, Seite 441

Ich kann nicht aufhören, dieses Buch zu loben. Eine Geschichte, die nachhallt. Für mich ein wirklich perfekter Reihenauftakt und mein zweites Jahreshighlight.
Darum: UNBEDINGT lesen.

Bewertung: ❤❤❤❤❤

 

EURE HACHIDORI

 

 

 

5 Gedanken zu “Rezension – „Scythe – Die Hüter des Todes“ von Neal Shusterman

  1. Miss Booleana schreibt:

    Vor dem Buch stand ich neulich in einer Flughafenbuchhandlung und habe überlegt es zu kaufen. Letztendlich habe ich mich dagegen entschieden, weil es in der YA-Ecke lag. Ob es aber wirklich YA ist, kann ich bei dem Stoff nicht ganz beurteilen. Der klingt eigentlich recht düster. Mit YA habe ich meistens eine schwere Zeit, weil mir die Bücher in ihrem Aufbau her zu ähnlich sind und oft tiefschürfende Fragen und Aufklärungen großräumig übergehen … aber ich gestehe, dass mich das Cover ziemlich angefixt hat.
    Was mich interessieren würde: werden die Naniten und das Thema Unsterblichkeit auf eine sinnvolle und nachvollziehbare Art erklärt oder ist es wie eine Black Box, die eben erfunden wurde und wie von Zauberhand funktioniert?

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    • Sani Hachidori schreibt:

      Die Einordnung in YA finde ich generell schwierig, da die Qualität dieser Bücher so unterschiedlich ist. Aufgrund meiner Überraschung über das Buch würde ich es schon als YA einstufen, allerdings nahe dem Übergang zur „Erwachsenen“-Literatur. Denn du hast Recht, die Handlung war recht düster. Was mir aber gefallen hat – am Anfang war ich noch geschockt über so viele Formulierungen – bin aber durchs Buch hinweg abgestumpft, was alleine schob nachdenklich machen kann.
      Mit den Naniten sprichst du genau eines der Dinge an, was mich auch noch beschäftigt. Tatsächlich sind der Thunderhead und die Naniten eher kurz angerissen und Black Box.
      Da der Thunderhead auch mal etwas wichtiger wurde im Buch und ja noch ein Nachfolger kommt, möchte ich da noch nicht urteilen. Ich hoffe nämlich, dass sich da im nächsten Band was aufklärt. Bisher muss ich dich aber enttäuschen, denn diese Fragen zum großen Ganzen sind noch offen. Was der Geschichte aber in meinen Augen keinen Abbruch tut, denn sie konnte mich gut unterhalten und die Aufmachung war eben so ganz anders für mich als erwartet. 🙂 Für mich war es mal was anderes, weil ich in dieser Art noch nicht viel gelesen habe.
      🙂 Du kannst es dir aber gern mal ausleihen 🙂
      LG Sani

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